Politische Gedenkwanderung zu der Gedenkstätte Breitenau: Wie aus einem Kloster ein KZ wurde
Am 26. Juni 2015 trafen sich NaturFreunde aus Marburg (sowie eine Gruppe ausländischer Jugendlicher aus einem workcamp, das in dem NaturFreundeHaus Marburg
stattfand) mit NaturFreunden des Bezirkverbands Kassel im Bahnhof KS-Wilhelmshöhe, um mit dem Zug nach Guxhagen zu fahren. Dort befindet sich das erste Konzentrationslager der Nazis auf
hessischem Boden, das im 12. Jahrhundert als Benediktinerkloster Breitenau mit einer wuchtigen Kirche und Wirtschaftsgebäuden gebaut wurde.
1527 wurde das Kloster im Zuge der Reformation aufgehoben, und kam in Staatsbesitz. 1874 wurde es preussisches Arbeitshaus, als Korrektions-und Landesarmenanstalt,
in dem Landstreicher, Bettler und Prostituierte Zwangsarbeit leisten mussten, 1911 kamen Strafgefangene aus Kassel hinzu. 1933 wurde dieses Gefängnis in ein "Konzentrationslage für
politische Schutzhäftlinge" umgewandelt, in dem bis zum März 1934 470 politsche Gefangene, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten inhaftiert waren.
Einige ihrer Lebensläufe sind in dem künstlerisch sehr ansprechend gestalteten Gedenkmuseum wiedergegeben. Ab 1938 kamen viele bei den Novemberpogromen verhaftete
Juden vor ihrem Abtransport in die Vernichtungslager hinzu, wie z.B. Lilly Jahn, die Mutter des späteren sozialdemokratischen Justizministers Gerhard Jahn, (deren Briefe an ihre Kinder aus dieser
Zeit in dem Buch "Mein verwundetes Herz" von ihrem Enkel Martin Doerry herausgegeben wurden). Ab 1940 wurden noch viele Zwangsarbeiter aus ganz Europa inhaftiert, nachdem sie für ihr Verhalten
auf ihren Arbeitsstellen gemaßregelt wurden, auch für diese häufig eine Durchgangsstation zu dem KZ Buchenwald. Insgesamt waren bis zur Befreiung 1945 in Breitenau ca. 8.500 Personen
inhaftiert.
Diese Geschichte brachte uns der Gründer dieses Museums, Prof. Krause-Vilmar (emeritiert, Gesamthochschule Kassel) näher, der diese Geschichte durch Interviews
seiner Studenten mit ehemaligen Häftlingen und Durchsicht der Akten dokumentierte. Er führte uns durch die ehemaligen Zellen, die zum Teil im Dachstuhl untergebracht sind, über der alten
Klosterkirche, seit dem 19. Jahrh. evangelische Gemeindekirche von Guxhagen! Er zeigte uns außerdem einen Film, der auch während der letzten Dokumenta dem internationalen Publikum als Beispiel
für das Vertuschen von Naziverbrechen vorgeführt wurde: Kurz vor der Befreiung im März 1945 wurden 28 Gefangene aus Breitenau auf dem nahegelegenen Fuldaberg umgebracht. Sie wurden auf dem
Ortsfriedhof später begraben, mit einem von dem Bildhauer Hugues gestalteten Gedenkstein an das Verbrechen.
Einigen Bürgern aus Guxhagen war das nicht recht, sie sorgten dafür, dass die Opfer exhumiert und auf eine Kriegsgräberstätte in einem anderen Ort erneut begraben
wurden. Dank der Zeugenbefragungen der Studenten von Prof. Vilmar konnte dies aufgedeckt werden, so dass die Gemeinde Guxhagen das entfernte Mahnmal von Hugues wieder aufstellte, und einen
Gedenkstein am Ort des Verbrechens errichtete. Der Verantwortliche für dieses Verbrechen, der Leiter der Gestapo Kassel, Marmon, wurde 1950 wegen "Befehlsnotstand" freigesprochen.
Anschließend wanderten wir gemeinsam auf dem von den Naturfreunden eingerichteten Kulturweg Hessen an der Fulda entlang nach Guntershausen, und fuhren mit dem Zug
nach Norden und Süden in unsere Heimatstädte zurück.
Sabine Wendt
Marburg, 4. Juli 2015